Seit sich Felicia verabschiedet hatte um, wie sie gesagt hatte, zur Arbeit zu gehen, folgte Vincent ihr. Mittlerweile waren sie am Bahnhof angelangt. Sie schaute sich um und wartete dem Anschein nach auf jemanden. Er versteckte sich im nächstbesten Schatten und beobachtete sie aus sicherer Entfernung.
Vincent und Felicia – Schon seit langem ein Pärchen, hatten vor wenigen Monaten den nächsten Schritt gewagt und waren zusammengezogen. Über ihre Arbeit wusste er nicht viel. Sie erwähnte nur manchmal etwas von einem Schichtwechsel mit einem Kollegen. Heute hatte er sich entschlossen, endlich mehr herauszufinden über die Frau, die er liebte und mit der er zusammenwohnte.
Ein Mann trat an Felicia heran und sie unterhielten sich kurz. Dann hakte sie sich bei ihm ein und beide verließen den Bahnhof wieder. Vincent war bereits jetzt elend zumute, doch folgte ihnen. Weit war es nicht, dann verschwanden sie in einem Hotel, wo der Mann sich am Schalter einen Zimmerschlüssel aushändigen ließ – Vincent beobachtet es durch die Glasscheibe hindurch.
Ebenso konnte er noch sehen, wie beide in den Fahrstuhl stiegen.
Er betrat die Lobby und wartete vor dem Fahrstuhl. Auf einer leuchtenden Anzeige stand, in welcher Etage er hielt. Vierte Etage.
Vincent hastete die Treppe hoch und sah sich auf der Ebene um. An einer Tür hing ein Bitte nicht stören-Schild und als er lauschte, meinte er, ihre Stimme zu hören. Kurz darauf hörte er gedämpftes Stöhnen.
„Diese Hure!“, fluchte er.
Daheim sprach er das Thema nicht an. Nur seine Griesgrämigkeit fiel ihr auf und mit heiterem Gemüt versuchte sie ihn aufzumuntern, umarmte ihn. Für ihn wirkte alles falsch, aufgesetzt und ließ ihn nur noch mehr hassen.
An diesem Tag folgte er ihr wieder. Und wieder traf sie sich, doch mit einem anderen Kerl. Der Rest verlief genau wie zuvor auch.
Eine Woche drauf – in der Zwischenzeit hatte er eine gute Miene zum bösen Spiel aufgesetzt – wartete er bereits am Bahnhof in einem dunklen Eck. Felicia trat durch den Haupteingang ein. Ein Mann trat auf sie zu, kurze Unterhaltung, sie hakte sich bei ihm unter. Bevor beide den Bahnhof verlassen konnten, stellte sich ihnen Vincent in den Weg.
Felicia wurde kreidebleich.
„Das ist also deine Arbeit?!“, brüllte er.
„Und da kannst du mir noch in die Augen schauen und mir sagen, dass du mich liebst?“
Mit einer Stimme dem Ersticken nahe antwortete sie: „Wir sind darauf angewiesen. Wie sollten wir sonst die Miete bezahlen, wenn wir nicht beide arbeiten?“
„Ach, und einen anderen Job konntest du nicht finden oder was?!“
„Lass es mich erklären …“
„Das kannst du nicht erklären“, seine Stimme wurde wieder leiser.
Vincent zog eine Pistole hervor. Felicias Begleitung sprang zur Seite, rappelte sich auf und rannte davon.
„Vincent, bitte, ich liebe dich wirklich …“
„Wie sieht deine Liebe denn aus? Hast du mich auch geliebt, als du in die Augen der Männer die auf dir lagen gesehen hast? Scheiße!“
Felicia sagte nichts mehr, konnte sie vielleicht auch nicht mehr, sie schluchzte nur noch.
Er drückte ab.
Dem donnernden Widerhall im Gemäuer folgte eine bedrückende Stille. Vincent taumelte zur Tür hinaus, erbrach sich auf den Gehweg und seine Schuhe. Im Hintergrund war Felicia dabei zu verbluten.
Er stützte sich gegen die Mauer, sprach leise: „Manchmal kann Liebe töten.“
Irgendjemand schien die Polizei verständigt zu haben. Er hörte die Sirenen, sah bereits Einsatzlichter aufblinken. Er warf die Waffe weg und ließ sich auf den Boden sinken.
„Ich geh' jetzt wohl ins Gefängnis.“
„Hoffentlich werden sie den Schlüssel zu meiner Zelle wegwerfen.“
„Einen tollwütigen Hund kann man nicht heilen. Dazu hat sie mich gemacht.“