Mastodon – Das wiederentdeckte soziale Netzwerk

Das Mastodon-Logo mit der Startseite von mastodon.gamedev.place im Hintergrund

Seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk sehen viele Benutzer die dortigen Entwicklungen mit Sorge: Große Kündigungswellen; Angestellte, die im Büro über­nachten; mangelnde Moderation und Abschalten der Pressestelle; Hin-und-Her um das blaue Verifizierungshäkchen, welches durch Twitter Blue nichts mehr mit Verifizierung zu tun hat und so Identitäts-Imitation Tür und Tor geöffnet hat; das Killen von Dritt­anbieter-Apps … Ich habe bereits ein paar Punkte ausgelassen, aber solange es die Seite noch gibt, werden sicherlich weitere dazukommen.

Wenig erstaunlich also, wenn Nutzer stetig und besonders beim nächsten Vorkommnis abspringen oder zumindest parallel andere Social Media-Dienste ausprobieren.

Twitter-Gründer Jack Dorsey hat einen neuen Dienst namens Bluesky gegründet, der sich aktuell in der Beta-Phase mit Warteliste befindet, Meta hat kürzlich Threads gestartet, welches an Instagram gekoppelt ist – Anmeldungen sind innerhalb der EU jedoch bisher nicht möglich.

Und dann gibt es da wie üblich auch wieder die Open Source-Community, mit einer eigenen, nicht kommerziellen Antwort: Mastodon. Wobei dieses nicht neu ist, sondern jetzt aufgrund der Entwicklungen etwas vom Platz im Scheinwerferlicht erhält.

Der Einstieg – Was sind Instanzen?

Der Einstieg ist nicht ganz so offensichtlich, wie bei anderen Social Media-Seiten, die als kommerzielles Produkt eines Unternehmens betrieben werden. Mastodon ist von Natur aus ein verteiltes System: Jeder kann einen Server mit einer Instanz betreiben, die dann untereinander kommunizieren können. Als normaler Benutzer muss man sich daher entscheiden, auf welcher Instanz man sich anmeldet.

Ein guter Vergleich, den ich gelesen habe, ist der mit E-Mail: Man sucht sich einen E-Mail-Anbieter aus, teilt anderen seine Adresse mit und schickt sich dann Nachrichten.

Die größte Instanz dürfte mastodon.social sein, welche von der Mastodon gGmbH selbst betrieben wird. Eine Übersicht über weitere findet sich unter joinmastodon.org/de/servers. Dort lässt sich auch nach Themen filtern und so z. B. deutsche Regionen oder ein Server zu einem bestimmten Interesse finden. Ich selbst habe mich optimistisch auf mastodon.gamedev.place angemeldet.

Wichtige Informationen dazu:

  • Wenn du ein Konto auf Instanz A hast, kannst du trotzdem Leuten auf anderen Instanzen folgen, ihnen schreiben usw.
  • Betreiber einer Instanz können den Kontakt zu anderen Instanzen jedoch blockieren, was auch viel genutzt wird. Eine Liste der von z. B. mastodon.social ausgeschlossenen Server findet sich auf mastodon.social/about unter „Moderated servers“
  • Im lokalen Feed sieht man entsprechend nur Toots/Tröts des eigenen Servers. Hierfür ist die Wahl der Instanz relevant
  • Man kann sein Konto auch nachträglich zu einer anderen Instanz umziehen

Unterschiede zu Twitter

Ein offensichtlicher Unterschied sind die Bezeichnungen: Ein Tweet ist ein Toot bzw. Tröt, der Retweet ist ein Boost bzw. lautet einfach Teilen und den Quote Tweet … gibt es nicht.

Dafür kann man Nachrichten auch als Lesezeichen abspeichern, was entgegen dem Favoritisieren dem Verfasser nicht angezeigt wird. Generell hat man auch weniger Einblick in die Likes anderer Leute. Man kann zwar zu einem Post sehen, wer diesen geliked hat, aber man kann auf einem fremden Konto nicht einsehen, was diese Person alles als „Gefällt mir“ markiert hat.

Als letzer Punkt noch ein großer Unterschied: Es gibt keinen persönlichen Feed-Algorithmus. Du bekommst keine Vorschläge angezeigt, keinen Feed zusammengestellt und keine gesponsorten Nachrichten dazwischengeschoben. Das nimmt unter Umständen etwas vom Suchtfaktor, aber ist das schlecht? Kein Doom-Scrolling und geringere Chancen, dass emotional geladene oder bewusst kontroverse Messages eingestreut werden, um die Interaktionen und Views – das „Engagement“ – hochzutreiben.

Apps fürs Smartphone und Tablet

Mastodon ist keine App-First-Anwendung, weswegen eine offizielle App erst im April 2022 erschien. Seitdem scheint sich viel daran getan zu haben. Es gibt aber auch einige empfehlenswerte Drittanbieter-Apps, sodass sich mit Sicherheit eine passende fürs Smartphone oder Tablet finden lässt.

  • Die offizielle Mastodon-App (für Android und iOS, kostenlos) – Weiter unten auf der Seite befindet sich zudem eine Übersicht vieler weiterer Third-Party-Apps
  • Tusky (nur Android, kostenlos) – Eine App, die schon länger dabei ist, welche ich verwende und die auch über den F-Droid-Store verfügbar ist
  • Ivory (nur iOS, bezahlt auf Abonnement-/Subscription-Basis) – Von den Entwicklern der beliebten Tweetbot-App für Twitter, welche eingestellt werden musste

Threads und Interoperabilität – Digitale Nachbarn?

Spannend wird auch, ob es in Zukunft möglich sein wird, dass Leute auf Threads mit jenen bei Mastodon interagieren können. Denn von Meta ist angekündigt worden, das auch von Mastodon verwendete ActivityPub-Protokoll zu unterstützen.

Ob angesichts der bei Threads rasant steigenden Benutzerzahlen da allerdings großer Fokus drauf gelegt wird oder es dann doch unter den Tisch gefallen lassen wird, bleibt abzuwarten. Auch wäre denkbar, dass einige Mastodon-Admins aus datenschutz­rechtlichen Bedenken vielleicht Threads aussperren werden – das Facebook-Unternehmen Meta hat in der Hinsicht schließlich zu Recht einen sehr schlechten Ruf.