Ich habe einen Text geschrieben, überarbeitet, zig Mal gelesen und konnte mich nicht mit anfreunden. Daher habe ich mich jetzt entschieden, meinen PS09-Beitrag „Die Reisenden“ zu nehmen. Vermutlich stehe ich nur wenig Chancen damit, aber wenigstens bin ich von diesem Text überzeugt. Trotzdem hier mal die erste (nun verworfene) Geschichte:
(Bis morgen Früh könnt ihr mich umstimmen. Oder es bleiben lassen. Aber bitte gebt euren Senf dazu ab.)
Ich wünscht’ …
„Ich wünscht’, die Nacht würde niemals enden …“
Ihr Atem dampft in der Winternacht und steigt in den klaren Himmel auf. Sie atmet aus und wieder verschwimmen die Sterne kurz in einer Dampfwolke. Leise knarzt der Neuschnee unter den Pfoten eines vorbeikommenden Katers. Schnurrend umgarnt dieser die Beine des Jungen auf der Schaukel, zieht aber weiter, als er nicht beachtet wird. Leicht wippt der Junge vor und zurück und die Kettenglieder der Schaukel protestieren knirschend. „Warum das?“, möchte er von ihr wissen. „Die Nacht ist doch dunkel und kalt.“
Sie streckt den Arm gen Himmel und legt den Kopf in den Nacken. „Aber schau doch nach oben! Jeder Stern ist ein Leben. Und heute Nacht scheinen sie alle und schaun uns zu und sind bei uns. Da haben wir treue Begleiter! Ist das nicht herrlich?“ Erstaunt schaut er sie an und sie lächelt.
Die Kälte dringt allmählich durch seine Kleidung. Er steht auf, wobei die Ketten wild durcheinanderklackern. „Wohin zuerst, Lisa?“ Sie überlegt. Dann: „Erinnerst du dich an den Platz vor der Kirche? – Natürlich tust du. – Dieser wunderschöne Platz mit den vielen jungen Bäumen. Wäre das nicht ein toller Ausgangspunkt? Bei Regen wären wir auch im Trockenen.“
„Und übernachten müsste möglich sein“, beendet er den Gedanken und sie machen sich mit ihren Fahrrädern auf den Weg.
Sie überqueren den Kirchplatz und er öffnet die alte, knarzende Tür der Kirche. Dieses Geräusch hallt noch leise im Bau nach; krabbelt entlang den Wänden, springt über den Altar und huscht durch die leeren Bankreihen. Sie treten ein. Lisa stippt die Spitzen von Zeige- und Mittelfinger in das Weihwasser und bekreuzigt sich. Dann flüstert sie zu der Heiligen Maria, die das Jesuskind haltend in einer Ecke steht: „Wünsch uns Glück!“
Derweil geht er hoch auf die Empore. Dumpfes Licht fällt durch dumpfes Buntglas und überzieht die kleine Orgel. „Schön gruselig“, findet er und geht wieder hinunter. „Zum Übernachten käme nur die Empore in Frage, aber es ist saukalt hier. Die Kirche besitzt praktisch nur Außenwände.“ Lisa nickt dazu. „Ja. Ja, das stimmt wohl. Welcher Platz kommt sonst noch in Frage?“ Sie verlassen die Kirche wieder und gehen zurück unter den Bäumen, die mit ihren kahlen Ästen nach den Sternen greifen. „Wie wäre es mit der Scheune am Stadtrand zum Feld hin?“
Und so fahren sie weiter …
Lisa wirft sich ins Heu und schaut durch das offene Scheunentor zum Himmel hinauf. Er steigt die Leiter auf eine höhere Plattform und schaut sich dort um. Als er nichts Erwähnenswertes findet, kommt er zurück und setzt sich auf eine der unteren Sprossen.
„Wie ein Nest“, murmelt Lisa zufrieden. Er hat in der Zwischenzeit das Heu um sie herum aufgeschichtet und damit einen Kreis gebildet.
„Was machst du da?“
„Ein Nest für den bald entflogenen Vogel.“
„Idiot.“ Sie lacht.
Im Hintergrund wird der Himmel heller. Die Beiden stehen auf und bleiben noch draußen vor dem Scheunentor stehen.
„Morgen treffen wir uns dann hier?“
Lisa schließt das Tor und schlägt mit der flachen Hand auf das Holz. „Morgen beginnt die Reise.“